Von 8. – 9. September 2015 wurde von FIM, FIA, UNI-MEI und EFJ in Dublin das zweite Seminar ihres europäischen Projekts über Arbeitnehmer/innen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen durchgeführt. Bei dieser Tagung ging es insbesondere um Kollektivverhandlungen für sogenannte „Freelance-Beschäftigte“, die mehrheitlich einer Tätigkeit als Selbstständige nachgehen.
Patricia King, die Generalsekretärin des irischen Gewerkschaftsbundes (ICTU), verwies auf die Schwierigkeiten der irischen Gewerkschaften, wenn es darum geht, Kollektivvereinbarungen zum Schutz dieser Arbeitnehmer/innen, die es gerade besonders schwer haben, auszuhandeln. Die nationale Wettbewerbsbehörde, eine politisch unabhängige Behörde, scheue sich nicht davor, den Gewerkschaften und ihren Vertretern/innen mit Strafverfolgung zu drohen, wenn sie es wagten, Vereinbarungen auszuhandeln, die ihrer Meinung nach gegen die Wettbewerbsregeln verstießen. Diesbezüglich sei es erstaunlich, dass die Banken, die oft deswegen kritisiert würden, weil sie das Land in die Rezession gestürzt haben, sowie die multinationalen Unternehmen sich deswegen keine Sorgen machten.
Die irischen Gewerkschaften hegten dennoch noch immer Hoffnung für den Kultur- und Medienbereich. Da die Auswirkungen von Kollektivvereinbarungen auf diesen Markt nicht nennenswert seien, habe die Regierung 2009 eine Ausnahmeregelung für diesen Bereich versprochen. Bis heute habe man sich zwar nicht an dieses Versprechen gehalten, aber die nächsten Parlamentswahlen und die Unterstützung des ICTU könnten hier Abhilfe schaffen.
Im Allgemeinen war die Spannung zwischen dem Wettbewerbsrecht einerseits sowie der Vereinigungsfreiheit und dem Recht auf Kollektiverhandlungen andererseits der Kristallisationspunkt dieser Debatten. Karen Curtis (die zuständige ILO-Direktorin des Referats Vereinigungsfreiheit, Abteilung internationales Arbeitsrecht) bestätigte, dass die europäischen Institutionen weder dazu verpflichtet seien, dem Wettbewerbsrecht einen höheren Stellenwert als dem Vereinigungsrecht und dem Recht auf Kollektivverhandlungen einzuräumen noch dass die Auffassung zu vertreten sei, dass der Arbeitnehmerbegriff nur eine eingeschränkte Interpretation zulasse. Mehrere Grundregeln, sowohl europäische als auch internationale, seien so gestaltet, dass sie eine solide Rechtsgrundlage für zukünftige Vorgehensweisen bildeten.
Diese Frage ist von besonderer Brisanz in Irland, Dänemark und in den Niederlanden, aber auch in den meisten mittel- und osteuropäischen Ländern, wo die staatlichen Stellen zuweilen gegenüber den Gewerkschaften, die im Namen von selbstständigen Arbeitnehmern/innen verhandeln wollen, einen bedrohlichen Ton anschlagen.